Petra Walke ist akkreditierte Auswanderungs-Beraterin und hat tagtäglich mit Menschen zu tun, die ihren Traum vom Auswandern nach Australien wahrmachen möchten. In diesem Interview gibt sie euch einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge.
Hallo Frau Walke, wenn man die Nachrichten verfolgt machen die Entwicklungen in Deutschland und Europa sicher dem einen oder anderen Sorgen. Viele fragen sich: „Wird auch in 20 oder 30 Jahren noch der Wohlstand, medizinische Versorgung, Bildung und Rente auf dem gleichen Niveau liegen wie heute? Werden meine Kinder in Deutschland eine gute Zukunft haben?“
Manch einer hat daran Zweifel und zieht eine Auswanderung nach Australien in Erwägung. Ist die Frage „Auswandern nach Australien?“ heute für mehr Menschen ein Thema als noch vor 5 bis 10 Jahren, und bietet Australien tatsächlich eine bessere Zukunft?
Wir stellen derzeit in der Tat eine verstärkte Nachfrage aus Deutschland fest.
Interessanterweise belegt eine aktuelle Studie der Industrieländerorganisation OECD aus 2014, dass Deutschland das zweitbeliebteste Einwanderungsland ist – weltweit. Damit ist die Bundesrepublik von Platz 8 auf den Silber-Rang hinter den Vereinigten Staaten von Amerika vorgerückt.
Dabei geht die größte Zuwanderergruppe aus den neuen EU-Staaten Mittel- und Osteuropas hervor. Verständlich, betrachtet man die anhaltende schwierige wirtschaftliche Lage in Südeuropa, beispielsweise in Spanien oder Griechenland.
Betrachtet man die OECD-Studie weiter, rangiert Australien mit gut 245.000 dauerhaften Zuwanderern „nur“ auf Rang 7, denn im Gegensatz zu Deutschland achtet man von Beginn an auf die berufliche Qualifizierung seiner einwanderungswilligen Neuankömmlinge.
Die Erteilung eines Einreisevisums, einer Arbeitserlaubnis sowie der Möglichkeit auf eine anschließende permanente Aufenthaltsgenehmigung („permanent resident status“) ist in Australien bei den Fachkräftevisas zwingend an den Nachweis einer beruflichen Qualifikation gebunden („skills of professionals“).
Die Konsequenz: alle Zuwanderer, die ohne Hilfe australischer Familienangehöriger nach Australien kommen, sind bereits beruflich qualifiziert. Damit verhindert die australische Regierung sehr geschickt, dass unqualifizierte, ungelernte Kräfte ohne oder mit sehr wenig Aussicht auf eine Arbeitsstelle und Einkommen, dem Sozialsystem des Staates zulasten fallen.
Dazu muss man wissen, dass mit der Erteilung einer permanenten Aufenthaltsgenehmigung der uneingeschränkte (zum Teil nach Wartezeit) Zugang zu allen Sozialversicherungssystemen verbunden ist, die in Australien immer noch vollständig steuerfinanziert sind. Abgaben wie zum Beispiel für Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung gibt es in Australien nicht, diese werden vollumfänglich vom Staat, oder wie im Falle der Rentenversicherung vom Arbeitgeber gezahlt.
Welches sind denn die am häufigsten verwendeten Visa für die dauerhafte Auswanderung nach Australien?
Das australische Einwanderungsrecht sieht mehr als 180 unterschiedliche Visaklassen und Visakategorien vor.
Die zunächst einschüchternde Vielfalt australischer Visaklassen bietet den Vorteil, für fast jede Zielgruppe eine maßgeschneiderte Lösung bereit zu halten – vom Handwerker oder der Familie, die privat auswandern möchte, bis hin zu Start-Ups, mittelständischen Unternehmen oder Selbständigen, die einen neuen Markt erschließen möchten. Während einige Kategorien bereits mit Perspektive auf eine spätere Permanent Residency oder eine Doppelte Staatsbürgerschaft konzipiert sind, locken andere Visaklassen durch schnellere Bearbeitung, sind jedoch häufig auch auf einige Monate oder Jahre befristet.
Besonders häufig werden Visakategorien für die dauerhafte Auswanderung mittels General Skilled Migration Stream, Family Migration Stream sowie Self-Sponsorship Pathways nachgefragt.
Für welche Branchen werden denn besonders stark ausländische Fachkräfte gesucht?
Australien hat derzeit jährlich ca. 190,000 permanente Visakontingente bereitgestellt. Zusätzlich sollen 40,000 weitere permanente Visa im Rahmen der sogenannten Regional and Economic Migration Initiative erteilt werden.
Die Visa werden an Bewerber vergeben, die einer qualifizierten Tätigkeit nachgehen können, die auf den sogenannten Einwanderungslisten genannt ist. Die bekanntesten Listen sind sicherlich die SOL und CSOL Listen (Skilled Occupations List und Consolidated Sponsored Occupations List). Darüber hinaus gibt es jedoch noch acht nicht so bekannte und unterschiedliche SMP Listen (State Migration Plans) sowie weitere Möglichkeiten.
Wenn man sich alle vorhandenen Listen genauer anschaut, stellt man fest, dass Australien branchenübergreifend Fachkräfte sucht z.B. vom Häuser- und Versicherungsmakler, über den Golfer, Tenniscoach, Flugbegleiter, Feuerwehrrettungskräfte, Berufstaucher bis hin zum Lehrer, Ingenieur, Arzt oder IT Fachmann – um nur einige beispielhaft zu nennen.
Dass Australien bei der Auswahl seiner Einwanderer sehr selektiv vorgeht ist ja bekannt – das Land will eben die Besten herausfiltern. Man muss (in den meisten Fällen) einen Punktetest erfüllen und sich auf Englisch verständigen können, bevor man das begehrte Permanent-Resident-Visum bekommt. Welche Faktoren spielen denn beim Punktetest eine Rolle, wer hat Chancen ihn zu bestehen und wie viele Punkte benötigt man aktuell für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis?
Derzeit sind mind. 60 Punkte im Punktetest für Skilled Visa Klassen notwendig. Es ist jedoch nicht (mehr) richtig, dass ein Punktetest in den meisten Fällen zu erfüllen ist – im Gegenteil.
Australien hat erkannt, dass insbesondere Selbständige und Freiberufler derzeit weltweit stark nachgefragt sind. Im Rahmen dieses weltweiten Wettbewerbes hat Australien z.B. für diese Zielgruppe den Punktetest im Rahmen des Self-Sponsorship Pathways abgeschafft und auch die Englisch Erfordernis deutlich gesenkt, für einige wenige Visa-Pathways ist ein Englischtest auch nicht mehr notwendig.
Viele Auswanderer haben Kinder – kann man die einfach mitnehmen oder verkompliziert das die Bewilligung des Visums?
Ein Visumantrag in Australien gilt immer für die sogenannte „Family Unit“. Finanziell abhängige oder minderjährige Kinder und der Partner sind automatisch im Visaantragsverfahren mit eingeschlossen und erhalten bei Bewilligung den gleichen Visastatus wie der Hauptantragsteller.
Auch in Australien braucht man, wenn das Visum bewilligt ist, eine Krankenversicherung und möchte später einmal Rente bekommen. Steht einem Auswanderer von Anfang an das Kranken- und Rentensystem zur Verfügung? Sind die Leistungen in etwa mit denen in Deutschland vergleichbar?
Im Rahmen des Permanent Residency Status erhalten Visuminhaber Zugang zu den australischen Sozialsystemen. Nach vier Jahren haben die Visainhaber die Möglichkeit die Doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen. Ein Vorteil: Australische Staatsbürger haben Zugang zur australischen steuerfinanzierten Staatsrente.
Wenn ich ernsthaft eine Auswanderung nach Australien plane: Wie viele finanzielle Reserven sollte ich dafür bereithalten, und wie lange dauert der Prozess in etwa vom ersten Schritt der Visumbeantragung bis zur Ankunft Down Under?
Die Dauer des Prozesses ist insbesondere von der gewählten Visaklasse abhängig. Wir sehen regelmäßig Zeiträume zwischen 4-6 Monaten bis zu 1 ½ Jahren vom Start bis zur Ankunft in Australien.
Wir sehen bei der überwiegenden Anzahl unserer Kunden, dass diese bereits nach ca. 2-3 Wochen eine Vollzeitbeschäftigung in Australien annehmen. Wir empfehlen jedoch als Faustregel: Man sollte neben den Kosten für die eigentliche Auswanderung (Visum und Anreise) finanzielle Reserven für ca. 1-2 Monate Aufenthalt ohne Arbeitsaufnahme in Australien haben.
Es gibt ja auch die Möglichkeit, sich von einem australischen Arbeitgeber sponsern zu lassen. Wie sollte ein Auswanderungswilliger vorgehen, der einen australischen Arbeitgeber als Sponsor sucht?
Der australische Arbeitsmarkt funktioniert anders als der deutsche Arbeitsmarkt. Z.B. erwarten Arbeitgeber bei einer Bewerbung keine angehängten Zeugnisse oder Ausbildungsnachweise. Es ist hingegen grundsätzlich besonders wichtig, die Erwartungshaltung des australischen Arbeitgebers im Rahmen einer Bewerbung zu verstehen.
Am 28. und 29. November bieten wir ein ausführliches Seminar in Frankfurt am Main und Stuttgart zu diesem Thema an. Ihre Leser können sich gerne auf www.sydney-migration.de anmelden.
Zu guter Letzt: Was macht Australien für Sie zu einem tollen Land?
Es ist schon viel über die australische Lebensweise, die Work-Life Balance und die Natur Australiens geschrieben worden. Ein Freund von mir hat die Antwort in einem Satz zusammengefasst: „Es ist schwer, schlechte Laune zu entwickeln, wenn man jeden Tag eine Sonnenbrille trägt.“
Bilder: CC0 Public Domain Lizenz
Johannes Richter schrieb am 10.11.2015:
Hallo!
Unsere Tochter ist verheiratet, hat 2 Kinder und lebt mit ihrem Ehemann schon 16 Jahre in Australien. Wir überlegen als Eltern gemeinsam mit unserer 2. Tochter, 32 Jahre alt, nach Australien auszuwandern.
Eine sogenannte Familienzusammenführung. Unsere Tochter in Australien hat bereits die australische Staatsbürgerschaft beantragt.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Richter