Im aktuellen Newsletter von Australien-Info.de bin ich ueber zwei Studien gestolpert, die mich zum Nachdenken gebracht haben. Die erste Studie behauptet, dass Australier grundsaetzlich zufriedener mit ihrem Leben sind als die Deutschen, aber auch mehr arbeiten. In der 2. Studie wird aufgezeigt, dass die Deutschen im Umweltschutz nur ganz knapp vor den Australiern liegen.
Ich habe nun insgesamt 5 Jahre in Australien gelebt und viele verschiedene Orte und Menschen in diesem Land kennengelernt. Meine Eindruecke sind wohl so „zufaellig“ und verallgemeinernt wie diese Statistiken selbst. Und teilweise stimmt meine Meinung mit den Statistiken ueberein, teilweise muss ich aber widersprechen. Waere toll, wenn wir anlaesslich dieser Ergebnisse eine kleine Diskussion in den Kommentare anstossen koennten.
These 1: Australier sind zufriedener als die Deutschen
Meine Meinung: Damit stimme ich grundsaetzlich ueberein. Die Deutschen sind bekannt dafuer sich andauernd zu beschweren. Auch wenn es oft nicht wirklich ernst gemeint ist, meckern wir Deutschen ueber alles. Es ist im Winter zu kalt und im Sommer zu heiss, die Telekom ist an allem Schuld und die Bahn sowieso viel zu teuer. Auch eines der Weltbesten Gesundheitssysteme ist „totale Ausbeutung“, denn im Ausland ist sowieso alles besser. Wir finden das Abendessen „unglaublich lecker“, aber es haette waermer sein koennen und finden es komisch, wenn man im Geschaeft mit laestigem Smalltalk „genervt wird“.
Ich glaube so ziemlich allen deutschen Backpackern, die ich hier in Australien getroffen und ueber die Jahre kennengelernt habe, ist dieser Unterschied aufgefallen. Die Australier sind einfacher zufrieden zu stellen und lassen sich ueber Kleinigkeiten nicht aus der Ruhe bringen. Man akzeptiert das Gegebene und macht das Beste daraus – oft mit einem Laecheln im Gesicht.
Die Frage, die dann bleibt: woher kommt dieser Unterschied?
Ich bin fest davon ueberzeugt, dass die Geschichte des Landes einen grossen Unterschied macht (weniger Gewalt, Leid und Schuld als in Europa/Deutschland). Hinzu kommt natuerlich das Wetter und der dazugehoerende Lebensstil.
(Ich habe eben mal nach „deutsche unzufrieden“ gegoogelt und bin gerade ziemlich verpluefft ueber die Ergebnisse. Haha…)
These 2: Die Australier haben weniger Freizeit als die Deutschen
Meine Meinung: Ok, man kann vielleicht mit Statistiken beweisen, wer mehr Arbeitsstunden und mehr Urlaub hat oder wer frueher in Rente geht, aber meiner Ansicht nach wird Freizeit in Australien anders definiert als in Deutschland und in der Praxis sind es die Deutschen, die mehr arbeiten.
In meinem Freundeskreis wird nach dem Verlassen des Arbeitsplatzes sehr wenig ueber die Arbeit gesprochen, geschweige denn noch etwas fuer die Arbeit getan (Vor- oder Nachbereitung). Die Australier, die ich kenne, koennen Freizeit und die Zeit auf der Arbeit wesentlich besser trennen. Es wird auch nicht ueber die Arbeit gejammert (siehe These 1). Man verbringt insgesamt mehr Zeit im Freien, auch weil das Wetter oft besser ist als in Deutschland. Man unternimmt mehr mit Freunden. Ein Freund von mir hat das kuerzlich sehr passend zusammen gefasst: „We work to live and don’t live to work“.
Viele meiner deutschen Bekannten tun mehr fuer die Weiterbildung oder arbeiten Ueberstunden an, damit am Ende des Jahres mehr Geld rueberkommt. Sie arbeiten mehr ums sich groessere Autos und bessere Handys kaufen zu koennen.
Wie gesagt, das ist alles sehr stark verallgemeinert, aber das sind meine Eindruecke. Wie seht ihr das?
These 3: Die Deutschen verhalten sich nicht viel umweltbewusster als die Australier
Meiner Meinung nach ist dies absolut nicht korrekt. Ich habe in anderen Beitraegen schon oefter ueber das fehlende oder sehr unterentwickelte Umweltbewusstsein der Australier geschrieben. Als Deutscher merkt man dies schon nach einigen Tagen in Australien. Sei es Recycling, Groesse der Autos, Strom- und Wasserverbauch, Waermedaemmung, Auflagen fuer Gewerbe und private Haushalte, Nutzung von Fahrraedern statt Autos… der Umweltschutz ist noch ganz am Anfang in Australien.
Ich komme aus Saarbruecken – einer nicht gerade innovativen Kleinstadt. Trotzdem hat Saarbruecken bereits einige Auszeichnungen bekommen – z.B. fuer die Erdgas-betriebenen Busse, den vielen Solarzellen auf den Daechern der Haeuser. Deutschland bezeichnet sich selbst als Innovationsland fuer gruene Energie und den Umweltschutz. Ich bin stolz darauf, dass Deutschland Vorreiter in vielen Dingen ist. Ja, auch das umstrittene Dosenpfand fand ich von Anfang an gut (auch, wenn bei der Einfuehrung nicht alles glatt gelaufen ist).
Der groesste und wichtigste Unterschied zwischen Australien und Deutschland ist meiner Meinung nach aber das Bewusstsein der Menschen und die Tasache, dass viele Deutsche mittlerweile verstanden haben, dass wir einige (persoenliche) Nachteile und Kosten in Kauf nehmen muessen, wenn wir die Umwelt fuer die naechsten Generationen bewahren moechten.
Was ist eure Meinung zu diesen Thesen? Welche Erfahrungen habt ihr in Australien gemacht?
anonym schrieb am 15.06.2009:
Dann möchte ich als „typischer Deutsche“ doch den ersten Kommentar abgeben. Mein persönlichen empfinden ist, dass das immer wieder gerne gewähnte „beste Sozialsystem der Welt“ in Deutschland das einzig positive ist, was wir in Deutschland noch haben. Da gibt es nichts zu meckern. Es ist wirklich gut! 2008 war ich für 6 Monate in Australien & würde vieles dafür geben, dort leben zu dürfen. Das deutsche Sozialsystem würde ich gerne opfern für ein Leben in einem Land wo ich die Menschen als lebenslustiger, freundlicher und optimistischer kennen gelernt habe.