1.) Stelle dich doch bitte kurz vor:
Ich heisse Karl-Heinz Seelig und bin 60 Jahre alt. In Deutschland verbrachte ich die meiste Zeit meines Lebens in Erlangen. Heute lebe ich in Cairns am Barriere Riff in Far North Queensland.
2.) Wann bist du nach Australien ausgewandert und was waren deine Beweggruende?
Der Hauptgrund fuer meine Auswanderung vor 16 Jahren war die depressive Zeit in Deutschland zwischen November und April. Ich war nicht ein Jahr laenger gewillt, durch diese Zeit ohne Gruen und Leben in der Natur durchzugehen. Obgleich ich auch irgendwo anders hin in den Sueden gegangen waere, so kam es mir gelegen, dass ich bei einem Australienurlaub vor 18 Jahren eine alte Liebe in Melbourne aufstoeberte. Ich kam das Jahr darauf zurueck nach Australien und wir entschieden uns zu heiraten. Durch die Heirat nahm ich den Namen meiner Frau an. Frueher hiess ich mit Nachnamen Kiesewetter. Immerhin kann ich von mir sagen, nach Australien gegangen und „seelig“ geworden zu sein.
3.) Wo genau lebst du jetzt? Was machst du beruflich und wie sieht ein typischer Tag in Australien fuer dich aus?
Ich lebe heute in Cairns am Grossen Barrriere Riff in Nord-Queensland, wo ich zusammen mit meiner (heutigen) Frau Kristin deutschsprachige Touren zu den Atherton Tablelands und in den Daintree Nationalpark durchfuehre. Daneben helfe ich bei einem japanischen Tour-Unternehmen als Busfahrer aus. Wenn wir keine Tour zu fahren haben, machen wir private Erkundungsfahrten in die weitere Gegend von Cairns, wo man im Umkreis von nur 150 Kilometern eine groessere Vielfalt an Klimaten, Landschaftsformen, Flora und Fauna hat, als irgendwo anders in Australien oder gar der Welt.
4.) Koenntest du 3 wesentliche Unterschiede zwischen dem Leben in Deutschland und dem Leben in Australien nennen?
Ich bin heute zwoelf Monate im Jahr von einer immergruenen, strotzenden Natur umgeben und brauche diese depressive Zeit im Winter in Deutschland nicht mehr ertragen. Wie die anderen Menschen, die in Cairns leben, empfinde ich eine grossse Lebensfreude und habe ein positives Lebensgefuehl.
Wenn ich in Deutschland ein Flugzeug am Himmel gesehen habe, bekam ich furchtbares Fernweh. Heute habe ich bei diesem Anblick kein Fernweh mehr, denn ich lebe dauerhaft dort, wo andere ihren Traumurlaub verbringen.
Ich muss hier laenger und haerter fuer mein Geld arbeiten, bei so gut wie nicht existierender sozialer Absicherung. Kein bezahlter Urlaub, kein Einkommen bei Krankheit, kein Kuendigungsschutz, aber halt eine hohe Lebensqualitaet.
5.) Welche 3 Tipps wuerdest du einem Deutschen geben, der darueber nachdenkt nach Australien auszuwandern?
Erstmal einige Monate hier verbringen, sich unter die Einheimischen mischen und sehen, ob einem das Leben wirklich schmeckt.
Sei Dir bewusst, dass Du auch im Paradies hart arbeiten musst und nichts geschenkt bekommst.
Die einfachste Moeglichkeit, nach Australien auszuwandern, ist ueber eine Beziehungskiste oder gar Heirat. Viele der Working Holiday Reisenden finden hier ihre Freundin oder ihren Freund und sind zu Hause in good old Germany nur noch zu Besuch gesehen.
6.) In Australien ist sicherlich nicht nur alles Gold was glaenzt. Welche 3 Dinge vermisst du am meisten bzw. gehen dir in Australien auf den Wecker?
Die Ignoranz der Australier gegegnueber Solartechnik, wo sie einst Fuehrend in dieser Technologie waren und alle Sonne der Welt geniessen koennen.
Wenn die Moderatoren in dem Classic Music Sender von ABC nicht einmal die Namen von bekannten Komponisten wie Beethoven und Mozart richtig aussprechen koennen.
Wenn ich metrische Allerweltsschrauben kaufen will, verbringe ich oft eine ganze Stunde, um von einem Geschaeft zum anderen zu fahren, denn jeder hat nur ein bisschen von allem. In Deutschland gehe ich in ein Schraubengeschaeft und bekomme in der Regel jede Groesse und jede Laenge.
Ich vermisse die alte europaeische Kultur und Tradition, das Wandern von Huette zu Huette in den Bergen, das Kitzmann Kirchweihbier und die Erlanger Bergkirchweih.
7.) „In meinen Augen sind die Australier…“
…totale Ignoranten, was weltweite Probleme, die schwarzen Seiten ihrer Geschichte, fremde Sprachen und Kulturen, und die Kultur der australischen Ureinwohner anbelangt.
8.) Ein australisches Wort oder eine Redewendung, das/die jeder wissen sollte:
- „She’ll be right“ Das passt schon.
- „Just enough is good enough“ Das passt schon.
- „What can I do for you, Love?“ Womit kann ich Ihnen dienen?
- „Can I help you?“ Der naechste bitte.
- „Never mind“ Mach Dir nichts draus.
- „That’s none of your business“ Das geht Dich gar nichts an.
- „See yah“ Tschuess. Bis ein andermal.
- „How much does that set me back?“ Wieviel kostet dies?
9.) Noch was zu sagen? Abschliessende Worte zu deinem neuen Leben…
Bei all den Unsicherheitsfaktoren sozialer Natur (keine Arbeitslosenversichgerung,sondern Einheitsarbeitslosengeld, keine Rentenversicherung, sondern Einheitsrente, keine Krankenversicherung, sondern eine lausige Krankenversorgung) ist meine Lebensqualitaet und mein Lebensgefuehl hier viel besser als in Deutschland.
Einen weiteren interessanten Auswanderer-Bericht findest du hier: Peter K. ist ausgewandert von Deutschland nach Taree (New South Wales)
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Billigflüge schrieb am 23.09.2009:
Hallo lieber Karl-Heinz,
ich möchte dir sagen,dass ich Deine Entscheidung nach Australien auszuwandern wirklich toll finde.
Ich selbst war noch nie in Australien, möchte jedoch unbedingt einmal dort hin.
Immer wenn ich Die Auswanderer Reportagen im TV sehe, bekomme ich Fernweh.
Jedoch muss ich Dir zustimmen, dass man erst einmal dort gewesen sein muss.
Ich persönlich kann nicht verstehen, wie manche Menschen auswandern können, ohne dass Land und die Sprache zu kennen. Ohne eine Wohnung geschweige denn einen Job zu haben.
Allerdings kann man Dich nur loben.
Du bist wirklich beneidenswert….