1.) Stelle dich doch bitte kurz vor:
Mein Name ist Peter K., 43. Ich wohnte in Deutschland in Butzbach, Darmstadt, Frankfurt, Koeln und Kronberg/Hessen (was ich mein eigentliches deutsches Zuhause nenne), in England in Coventry, und wohne jetzt in der Naehe von Taree in NSW.
2.) Wann bist du nach Australien ausgewandert und was waren deine Beweggruende?
“Geistig” bin ich schon 1992 nach Australien ausgewandert – da war ich zum erstem Mal hier, um meine Studienarbeit in Sydney zu schreiben. Seitdem war ich jeden deutschen Winter hier bis ich an Nickolaus 2001 komplett eingewandert bin. Gruende gibt es viele kleine – zu viele, um sie alle aufzulisten. Hier nur ein paar: Ich bin gerne draussen, was in Deutschland bei dem staendigen Regen und der staendigen Kaelte und der langen Dunkelheit jeden Winter nicht so einfach ist. Im uebrigen finde ich, dass Deutschland ueberbevoelkert ist – daher habe ich mich in AUS auch nicht in einer Grossstadt niedergelassen, denn das waere ja auch nicht besser, abgesehen von den ueblichen Nachteilen, die Grossstaedte mit sich bringen: Stau pur, ueberall Ampeln, ueberall Parkverbot neben ueberteuerten Parkgebuehren, schlechte Luft, hohe Kriminalitaet, ueberteuertes Wohnen und kein Platz fuer nichts.
3.) Wo genau lebst du jetzt? Was machst du beruflich und wie sieht ein typischer Tag in Australien fuer dich aus?
Ich lebe wie gesagt in der Naehe von Taree, in der Natur – d.h. im bush, habe viel Platz, 4km vom Fluss entfernt und 20min vom Meer. Ich bin hier gelandet, weil ich finde, dass dies die ideale Entfernung vom Aequator fuer ein ideales Klima ist – genau wie Perth (dachte mir, dass es hier mit Arbeit besser aussieht als in Perth, deswegen bin ich nicht in Perth gelandet.) Und in der Tat: Ich habe hier keine Probleme mit Ueberschwemmung, Tornados, Ross-River-Fever, Dengue-fever, oder uebermaessiger Trockenheit. Die einzige Gefahr waere bushfire, denn ich sitze mitten im bush – und da hatte ich bisher Glueck.
Habe hier eine ganze Weile als Design-Engineer fuer einen Automobil-Zulieferer gearbeitet (das war auch mein background von D), habe dann nach Massenentlassungen ne Weile was Neues gesucht, habe danach in Singleton fuer ein Ingenieurbuero gearbeitet (AutoCAD 2D, 3D & Programmieren in VBA), das services fuer die mining-Industrie liefert. Das bedeutete, jedes WoEnde eine Distanz von 200km (one way) zu pendeln: Via Landstasse – 200km ohne eine einzige Ampel!
Tja, und dann ist auch in Singleton im Febr. 2009 die Welt-Rezession angekommen. Nun suche ich also was Neues.
Langweilig wird es mir zwischenzeitlich bestimmt nicht, denn auf meinen Grundstueck gibt es immer was zu tun, Ideen habe ich genug. Ausserdem sammle ich so ziemlich alles – und einiges davon will restauriert werden… – und das benoetigt Zeit. Und jedes WoEnde findet sich was Neues auf garage sales.
4.) Koenntest du 3 wesentliche Unterschiede zwischen dem Leben in Deutschland und dem Leben in Australien nennen?
In Deutschland:
- Man ist meist drinnen oder draussen im Anorack. Hohe Heizkosten.
- Gute Strassen und Fahrradwege.
- Gutes Brot und anstaendiger Mineralwassersprudel.
In Australien:
- Man ist fast immer draussen. Das ganze Jahr T-Shirt Wetter. Nur nachts wird es im Winter kalt.
- Sehr schlechte Strassen und selten Fahrradwege. Ich haenge zu sehr am Leben um hier auf der Landstrasse Fahrrad zu fahren.
- Brot muss man lange suchen. Was Mineralwasser ist, ist hier nicht wirklich bekannt. Stattdessen wird Leitungswasser in Wegwerfflaschen verkauft. Aber selbst gesammeltes Regenwasser und eine Sprudelmaschine sind ein guter Ersatz (natuerlich nicht in der Grossstadt).
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5.) Welche 3 Tipps wuerdest du einem Deutschen geben, der darueber nachdenkt nach Australien auszuwandern?
- Erstmal per Urlaub auskundschaften, ob man hier leben will und wenn, dann wo ungefaehr. Eine (im engineering uebliche) PRO & CONTRA Liste, die man sich fuer Deutschland und Australien zusammenstellt, hilft bestimmt auch.
- Wenn man MIT Partner auswandert, ergibt sich alleine mathematisch, dass die Gesamtwahrscheinlichkeit, dass einer von beiden nicht zufrieden ist, doppelt so hoch ist.
- Genuegend monitaeren Rueckhalt, denn Arbeit zu finden koennte sich recht schwierig gestalten, ganz besonders dieser Tage…
6.) In Australien ist sicherlich nicht nur alles Gold was glaenzt. Welche 3 Dinge vermisst du am meisten bzw. gehen dir in Australien auf den Wecker?
- In Australien ist keine Mineralwasserquelle, die aus dem Boden sprudelt, wo man hingeht und seine Flaschen vollfuellt, so wie in Kronberg, Bad Homburg, Bad Vilbel, Mammolshein. Die wenigen Quellen, die hier sind, sind Privatbesitz und geben ohnehin nur so was wie Leitungswasser her.
- Auch in Australien glauben viele, einen Koeter besitzen zu muessen, und genau wie in Deutschland koennen auch in Australien die Koeter-Besitzer nicht verstehen, dass nicht jeder sein Zeugs von Koetern kleingekaut haben will und dass nicht jeder in Non-Stop-Geklaeffe eine Synphonie erkennt.
- Wie bereits Ned Kelly nervt mich in Australien die Polizeiwillkuer: So gut wie keine Tolleranzlevel bei minimal ueberschrittener Geschwindigkeit – gemessen wird das mit unzuverlaessigen Instrumenten. Die einzige Option, die man hat, ist vor Gericht zu gehen, wo man schnell einen 200$ Strafzettel einen ein-paar-tausend-dollar Strafzettel verwandelt. Andererseits landen Verbrecher hier selten lange genug – und minderjaehrige Verbrecher nie – im Gefaengnis. Die haben hier nicht genug Gefaengnisse.
- In Australien gibt es zahlreiche von den US adoptierte kranke Gesetze, die vor allem das Ueberleben der Bekloppten sichern sollen (liability, etc.). So waere ich z.B. unglaublicher Weise haftbar, wenn sich ein Einbrecher bei mir beim Einbrechen verletzt…!
- Sehr lange habe ich richtig gutes Brot und Wurstwaren gesucht. Aber inzwischen habe ich alles gefunden. Grundsaetzlich findet man hier eigentlich alles, wenn man nur lang genug sucht.
7.) „In meinen Augen sind die Australier…“
…auch ein „melting-pot of nations“, was meisst gut gelungen ist (traurige Ausnahme: Sydney West). Aeltere Australier sind sehr freundlich und hilfsbereit. Unter den juengeren Australiern finden sich da vereinzelt starke Defizite. Das geht hin bis zur Fremdenfeindlichkeit.
8.) Ein australisches Wort oder eine Redewendung, das/die jeder wissen sollte:
garage sale: Was in Deutschland ein Flohmarkt auf einem Platz ist, ist in GB ein car-boot sale. Aber in den US und in Australien ist das anders organisiert: garage sales! In Lokal-Zeitungen findet sich vor jedem WoEnde eine Liste mit Strassennamen und Hausnummern von garage sales und einer groben Idee, was zum Verkauf steht. Und samstags so etwa ab 6am grasst man dann die Liste ab und fuellt seinen Van… 😉 Das ist vor allem gut zu wissen fuer die, die hier einwandern: Man muss nicht alles im Container von Deutschland nach Australien bringen: Hauseinrichtungen finden sich leicht auf Garagesales. So muss man sich auch nicht mit ekligen Sperrholzmoebeln aus einem Geschaeft abgeben, sondern man findet klasse Antiquitaeten fuer wenig Geld. Kann eine Weile dauern, bis man alles gefunden hat, was man sucht, aber bis dahin kommt man auch mit 1 Matratze und ein paar Kisten als Moebelgarnitur aus.
9.) Noch was zu sagen? Abschliessende Worte zu deinem neuen Leben…
Snowboarden fehlt mir in Australien, aber das ist es wert!
Einen weiteren interessanten Auswanderer-Bericht findest du hier: Janine ist von Deutschland nach Queensland ausgewandert.
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Rausch schrieb am 15.05.2009:
Netter Post!